Sehr lässige Pose, wirklich – aber wen interessiert’s? Der junge Mann, der einen fahrerlosen Gabelstapler mit dem Gewicht eines Kleinwagens auf sich zu fahren lässt, keine Miene verzieht, aufreizend regungslos verharrt, bis der Metall-Koloss nur Zentimeter vor ihm wie von Geisterhand zum Stehen kommt, ist im Grunde eine Attraktion von gestern.
Für kommende Generationen könnte die Zusammenarbeit mit Robotern völlig natürlich werden. Was die Maschinen schon heute alles können.
Dass er lange vor einer Kollision von Sensoren erfasst wurde und nie in Gefahr war, ist keine Überraschung mehr. Der Roboterstapler hat’s schwer. Das große Publikum bekommen heute andere technische Helfer des Menschen. Zum Beispiel nur einen Stand weiter auf der Hannover Messe. Eine nette Idee für daheim: die erste Roboterküche der Welt. Es gibt Krabbencremesuppe.
Das englische Unternehmen Moley Robotics lässt nicht nur künstliche Arme Suppen und Soßen anrühren, es will den Massenmarkt für Haushaltsroboter aufmischen. Solche beweglichen, mit reichlich Sensoren und vielgliedrigen Händen ausgestatteten Arme – das Ergebnis jahrelanger Forschung durch das Unternehmen Shadow Robot Company – kommen normalerweise in der Atomindustrie oder bei der Nasa zum Einsatz. Sie könnten auch Klavier spielen oder Briefe schreiben.
Kochen per App – vom Profi-Roboter-Koch
An diesem Tag aber kümmern sie sich in fließenden Bewegungen um ein halbes Dutzend frische Zutaten. Sie ragen aus der Wand einer futuristischen Küchenzeile, nehmen Schälchen auf, dosieren Gewürze, tröpfeln Flüssiges hinzu. Sie wiederholen die Bewegungen eines englischen Fernsehkochs, der mit dem Unternehmen kooperiert und bei seiner Arbeit im 3D-Studio aufgenommen wurde. Die Programmierung könnte auch anders lauten: nicht Krabbensuppe britisch, sondern Sushi vom japanischen Starkoch, Haute Cuisine mit Michelin-Sternen, Sauerkraut nach Hausfrauenart. Alles ist möglich.
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Man muss nur die Zutaten in Reichweite stellen und den Roboterkoch entsprechend einstellen. Er ahmt sogar Gestik und individuelle Kochtechniken nach. Diese Akkuratesse verdankt er Algorithmen, die in Zusammenarbeit mit den Universitäten Stanford und Pisa entwickelt wurden. Mit ihrer Hilfe werden die Aufnahmen jedes beliebigen Kochs in digitale Bewegungen umgewandelt.
Als Massenprodukt soll die Roboterküche 2017 auf den Markt kommen. Dazu gibt es eine Rezeptmediathek mit 2000 Gerichten. Gekocht wird also per App, prominente Köche sollen 3D-Downloads fortan als Ergänzung zum Kochbuchmarkt begreifen. Die Entwickler rechnen mit einem Preis von 15.000 Euro für eine Roboterküche.
Viele kleine Unternehmen ringen um Zukunftsmarkt
Die Briten von Moley Robotics sind in Hannover ein Exot unter den Roboterherstellern, denn meistens geht es um industrielle Produktion, nicht um die Verwendung im Alltag. Und doch sind in ihrem Projekt Trends erkennbar: dass das Geschäft mit Robotern boomt, dass in beinahe jeder Nische Anwendungen möglich sind, dass viele kleine und mittlere Unternehmen, aber nur wenige große um Marktanteile ringen.
Beflügelt von fortschreitender Automatisierung, größerer digitaler Vernetzung und steigenden Lohnkosten, wachsen Umsätze deutscher Unternehmen aus dem Bereich Robotik und Automation schneller als die anderer Industriebranchen. Das hat der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau zusammen mit dem Beratungsunternehmen McKinsey ermittelt. Das Wachstum lag bei durchschnittlich 13,8 Prozent im Jahr, und auch die Gewinnmargen vor Steuern seien mit 7,4 Prozent höher als anderswo.
Die Branche feiert ihre neuesten Erfolge, und Beteiligte preisen die Vorteile der Entwicklung: Der japanische Hersteller Fanuc zum Beispiel ließ in Hannover stolz einen kollaborativen Roboter los, der bis zu 35 Kilogramm hebt, bei Berührungen stoppt, also keinen Sicherheitszaun mehr braucht, weil er Menschen, denen er assistiert, nicht verletzen kann; der Schweizer Konkurrent ABB nannte eine vergleichbare, völlig ungefährliche und somit menschenfreundliche Neuentwicklung liebevoll Yumi.
Generation R wird mit Robotern aufwachsen
Unternehmen und Gewerkschaften schwärmen unisono von den Möglichkeiten, stupide oder unergonomische Arbeiten künftig noch viel häufiger von Robotern ausführen zu lassen. Wenn ein kleines Unternehmen wie incubed IT aus Österreich in Hannover den zum fünften Mal ausgelobten „Robotics Award“ für einen autonom navigierenden Transportroboter erhält, dann ist das in der rasanten Entwicklung der gesamten Branche allenfalls eine Fussnote.
Roboter werden jedenfalls immer präsenter, und Till Reuter, der Vorstandsvorsitzende des deutschen Vorzeigeunternehmens Kuka, spricht bereits von einer „Generation R“, die mit Robotern aufwachse, als wären sie das Natürlichste der Welt. Kukas Umsatz wurde um mehr als 18 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro gesteigert und soll bis 2020 auf bis zu 5 Milliarden Euro wachsen; der Kurs der Aktie kletterte allein im Börsenjahr 2014 um über 70 Prozent. In Hannover lassen die Augsburger Neugierige an einem gigantischen Roboterarm durch die Luft wirbeln. Eine Entwicklung, die schwindelig machen kann. Durchaus typisch für die Branche.
von UWE MARX, HANNOVER