Wie werden wir uns in Zukunft fortbewegen? Die Konferenz «Mobilität 2025» präsentierte eine Studie, die das Gottlieb-Duttweiler-Institut bei den SBB in Auftrag gegeben hatte. Experten und Querdenker zeigten Mobilitäts-Perspektiven und -Grenzen auf.

 

Das Jahr 2025 liegt gar nicht mehr in allzu ferner Zukunft. Und die Mobilität wird nicht so anders sein als heute – allerdings mit rund 20 Prozent mehr Verkehr auf der Strasse und bis zu 50 Prozent mehr auf den Schienen. Die Pendler­­ werden in immer noch vorwiegend benzinbetriebenen Autos in längeren Staus stecken oder zusammengepfercht – in ähnlichen Zügen wie heute – sitzen oder stehen. Die Aggressionen werden steigen. «Wenn wir so weiterwursteln wie bisher, sind die Mobilitätsprobleme nur noch mit autoritären Massnahmen zu lösen», warnte der Leiter des Gottlieb-Duttweiler-Instituts, David Bosshard, an der «Mobilitätstagung 2025» in seinem Einleitungsreferat.

Um die Probleme zu bewältigen, brauche es sanften Zwang durch intelligente Technologie. «Nudging» (Anschubsen), heisst die Losung der Experten. Die künftigen NutzerInnen sollen sich nicht weniger, aber bewusster fortbewegen. Die «Hybridität» werde zum Normalfall: Der öffentliche Verkehr werde privater – und umgekehrt. Eine Fahrgemeinschaft sei sinnvoller als eine defizitäre Buslinie in Randstunden. Neue Carpooling- und Carsharinglösungen hätten Zukunft. Dazu gehöre das Sharoo-Modell von m-way. Aber auch «BringBee», ein privater Heimlieferdienst, den das Zürcher Startup-Unternehmen Polyport aufbaut, sei eine zukunftsträchtige Lösung.

 

Unumstritten war an der Tagung, dass die Mobilität den Verbraucher heute zu wenig koste und falsche Anreize schaffe (Stichwort: günstiges Häuschen auf dem Land). Mehr Gerechtigkeit im Wettbewerb und eine bessere Kostentransparenz seien unumgänglich. Die SBB machen sich Gedanken zu differenzierten Tarifen – nicht nur zeitlich abgestuft, sondern auch komfortmässig, wie Kommunikationsleiterin Kathrin Amacker an der Tagung ausführte: «Denkbar wäre auch eine Unterscheidung in Sitz- und Stehplätze, wenn Letztere auf kurzen Pendlerstrecken künftig unvermeidlich werden.» Da liegt Automobilkonstrukteur Frank M. Rinderknecht mit seinem «MicroMax» gerade richtig: Dieser elektrische Minibus mit den Ausmassen eines Minis soll dank «Stehsitzen» für vier Personen inklusive Kinderwagen oder Sportgerät die Feinverteilung übernehmen. Noch futuristischer, wenngleich schon bald greifbar, mutet das Konzept des ersten elektrischen Hubschraubers an: Der Volocopter, der dieser Tage zum Erstflug startet, soll in Millionenmetropolen auf fest zugeteilten Luftstrassen eine schnelle Fortbewegung ermöglichen.

Ob solcher Zukunftsszenarien ging bei dieser Konferenz ein wichtiges Glied der Mobilitätskette fast vergessen: das Velo. In einer vorgestellten Reiseweganimation wird ihm zwar auch in Zukunft eine wichtige Rolle beigemessen, doch so richtig ernst wurde das Zweirad an dieser Konferenz nicht genommen. Aus der Velobranche war kein einziger Referent eingeladen, und es nahmen auch kaum Branchenvertreter teil. Immerhin hatte Wim Ouboter Gelegenheit, sein neues Elektro-Trottinett vorzustellen, das die Vorschriften für E-Bikes erfüllt.

In einer Paneldiskussion ging es um die Alltags- und Politrealität. Das Kapaziäts- und damit das Mobilitätsproblem wären zu einem schönen Teil gelöst, wenn es gelingen würde, die Verkehrsspitzen zwischen 7 und 9 Uhr sowie zwischen 17 und 19 Uhr zu brechen. Katharina Conradin von Mountain Wilderness plädierte deshalb für eine Umverteilung der festen und bürogebundenen Arbeitszeiten – doch die Wirklichkeit bietet noch wenig Spielraum.

Bessere Verteilung der Nachfrage statt Taktverdichtung in den Spitzen forderte auch ETH-Professor und Verkehrsplaner Ulrich Weidmann. Er rief in Erinnerung, dass die Schnellzüge im Tagesverlauf nur zu 30 Prozent ausgelastet seien, die Regionalzüge gar nur zu 17 Prozent. Mit der Aussage, man müsse zu den Engpässen stehen, provozierte er viele Tagungsteilnehmende. Doch: «Leidensdruck kann auch produktiv sein – etwa indem er das Bewusstsein fördert, wieder näher bei der Arbeit Wohnsitz zu nehmen», sagte Weidmann. Er war nicht der Einzige: Auch der Wiener Verkehrsexperte Hermann Knoflacher prophezeite in seinem Schlusswort: «Wir sind nur lernfähig durch Engstellen.»

 

Quelle

http://www.velojournal.ch/magazin/jahrgang-2013/ausgabe-2013-6/mobilitaet-intelligenter-nutzen.html

 

 

13.10.2015 | 1150 Aufrufe

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