Nahe bei Stuttgart ist soeben ein neuer Forschungscampus von Bosch eingeweiht worden. Dort wird unter anderem nach leistungsfähigen Batterien für übermorgen gesucht.

 

Im «Zentrum für Forschung und Vorausentwicklung» sind in Renningen vor den Toren Stuttgarts rund 1700 kreative Kräfte künftig in der Forschung für Bosch tätig. Auf dem 100 Hektar grossen Grundstück sind 14 Gebäude mit einer Gesamtnutzfläche von 110.000 Quadratmeter entstanden. Die ersten Büros wurden im Sommer 2014 bereits bezogen, auf Oktober 2015 steht nach vierjähriger Bauzeit die Vollendung des Campus an. Doch das Büro an sich steht nicht mehr im Zentrum, das klassische Einzelbüro verliert als Arbeitsplatz an Bedeutung. An seine Stelle tritt die Möglichkeit, zu arbeiten, wo man möchte: drinnen oder draußen, für sich oder mit anderen. Dank flächendeckendem WLAN, Laptop- und Mobilgeräteausstattung wird der gesamte Campus zum Arbeitsplatz, gibt Bosch bekannt. Zur Eröffnung des neuen Campus lässt sich der E-Bike-Antriebshersteller mit Hauptstandbein in der automotive Branche auch in die Karten blicken, in welchen Bereichen in Renningen geforscht wird.

Bosch forscht dort an Batterien, die längeres Fahren ohne Aufladen ermöglichen und gleichzeitig weniger kosten sollen. «Unsere Batterie-Experten schaffen eine wesentliche Voraussetzung für den Durchbruch der Elektromobilität», verspricht Dr. Michael Bolle, Vorsitzender der Geschäftsleitung des Bereichs Forschung und Vorausentwicklung der Robert Bosch GmbH. Schon 2020 sollen Bosch-Batterien mehr als doppelt so viel Energie speichern können und dabei deutlich weniger kosten. Entsprechend sind die Marktprognosen: Bosch erwartet, dass in zehn Jahren weltweit rund 15 Prozent aller Neufahrzeuge einen elektrifizierten Antrieb haben. Deshalb investiert das Unternehmen 400 Millionen Euro jährlich in die Elektromobilität.

Wie die nötigen Fortschritte in der Batterietechnik gelingen sollen, erklärt Dr. Thorsten Ochs, Leiter des Forschungsbereichs Batterietechnologie, am neuen Bosch-Forschungscampus Renningen: «Für die breite Akzeptanz der Elektromobilität benötigen wir eine nutzbare Energie von 50 Kilowattstunden bei einem Mittelklassefahrzeug.» Würde man das mit klassischen Bleibatterien schaffen wollen, so kämen die Speicher selbst ohne Verkabelung und Halterung auf ein Gewicht von 1,9 Tonnen. So viel wiegen heutige Mittelklasse-Limousinen – mit Insassen und Gepäck. Eine herkömmliche Bleibatterie – wie sie heute in fast jedem Auto steckt, um den Anlasser mit Strom zu versorgen – speichert bei einem Gewicht von 19 Kilogramm eine Energie von 0,5 Kilowattstunden – also vergleichsweise wenig.

Besser sind da aktuelle Lithium-Ionen-Batterien. Sie speichern mehr als die dreifache Menge an Energie pro Kilogramm. Die Batterie eines aktuellen Elektroautos liefert im besten Fall bei 230 Kilogramm Gewicht etwa bis zu 30 Kilowattstunden. Um mit dieser Energiedichte auf die gewünschten 50 Kilowattstunden zu kommen, wäre mindestens eine 380 Kilogramm-Batterie nötig. Ochs und seine internationalen Bosch-Kollegen arbeiten deshalb an noch leistungsfähigeren Energiespeichern. Das Ziel: 50 Kilowattstunden in 190 Kilo unterbringen. Zudem wollen die Forscher die Zeit, die ein Fahrzeug zum Aufladen benötigt, deutlich verkürzen. «»Unsere neuen Batterien sollen in weniger als 15 Minuten auf 75 Prozent geladen werden können», sagt Ochs. Ochs und seine Kollegen sind davon überzeugt, dass die Ziele sich mit verbesserter Lithium-Technologie erfüllen lassen. «Rund um das Lithium gibt es noch viel zu tun und zu verbessern» , sagt Ochs. Daran arbeitet sein Team in Renningen eng mit Bosch-Experten aus Shanghai und Palo Alto im Silicon Valley. Zusätzlich hat Bosch ein Joint Venture mit GS Yuasa und der Mitsubishi Corporation gegründet, um die Lithium-Ionen-Batterieforschung voran zu treiben.

 

In der Theorie klingt die Lösung einfach: «Je mehr Lithium-Ionen in einen Akku hineinpassen, umso mehr Elektronen und damit Energie können auf gleichem Raum gespeichert werden» , so Ochs weiter. Doch die praktische Umsetzung ist herausfordernd, da die Forscher Zellen im Bereich von Atomen und Molekülen verbessern müssen. Ein wesentlicher Schlüssel dazu ist, den Graphit-Anteil zu reduzieren beziehungsweise auf das Graphit in der Anode zu verzichten. Würde man anstelle des Graphits metallisches Lithium verwenden, könnte man auf demselben Raum deutlich mehr Energie speichern. Zusammen mit seinen Kollegen hat Ochs bereits mehrere Ansätze dafür entwickelt, wie sich das Graphit entfernen ließe und welche Materialien dafür nötig sind. Mit dem Kauf des US-amerikanischen Start-Ups Seeo Inc. verfüge Bosch nun über entscheidendes Know-how bei der Umsetzung neuartiger Festkörperbatterien. Diese haben gemäss dem E-Bike-Systemzuliefer noch einen weiteren entscheidenden Vorteil: Sie kommen ohne flüssigen Elektrolyten aus, der in herkömmlichen Lithium-Ionen-Akkus enthalten ist und dort unter ungünstigen Bedingungen zu Sicherheitsproblemen führen kann.

Quelle

http://www.ride.ch/site/index.php/10530-bosch-laesst-sich-in-die-batterie-karten-blicken.html

04.11.2015 | 10091 Aufrufe

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