Die Digitalisierung verändert den Agro-Food-Sektor grundlegend. Obwohl es nicht das erste Mal ist, dass uns technologische Umwälzungen bevorstehen, erfolgt der Wandel derzeit schneller und weitreichender als je zuvor. Wie wir verantwortungsvoll damit umgehen können, diskutiert hier Eduardo Pérez, Projektleiter ETH Studio AgroFood, World Food System Center, an der ETH Zurich.

Drohnen, die landwirtschaftliche Nutzflächen vermessen, sind nur eine von vielen Auswirkungen der Digitalisierung in der Lebensmittelproduktion.

Drohnen, die landwirtschaftliche Nutzflächen vermessen, sind nur eine von vielen Auswirkungen der Digitalisierung in der Lebensmittelproduktion.

 

Selbstfahrende Traktoren, Drohnen, die über die Felder fliegen, autonome Kühlschränke, die Lebensmittel bestellen, Roboter, die unser Essen kochen: Beinahe täglich berichten die Medien von Technologien, die unseren Umgang mit Lebensmitteln zu revolutionieren versprechen (siehe auch diesen Beitrag von Achim Walter). Obwohl uns wohl noch einige Jahre bleiben, bis diese Technologien unsere Haustür – oder unseren Kühlschrank – erreichen, verändert die Digitalisierung ohne Frage unsere Art zu leben.

 

 

In Zeiten technologischen Wandels ist die Angst vor Veränderungen nichts Neues. Es ist in der Tat erstaunlich, wie die aktuellen Befürchtungen hinsichtlich der Digitalisierung denjenigen der Vergangenheit ähneln: Informationsüberflutung durch Radio und später Fernseher; Arbeitslosigkeit infolge der immer häufigeren Industrieroboter in den 70er- und 80er-Jahren. Bei der Digitalisierung im Agro-Food-Sektor ist es ähnlich. Die technologischen Umwälzungen in der gesamten Wertschöpfungskette sind unvermeidlich, deren Konsequenzen sind aber noch nicht bekannt, was Unbehagen bei den Akteuren auslöst.

 

 

Angst oder gar Ablehnung des Unvermeidlichen sind jedoch schlechte Ratgeber. Umwälzungen alleine sind weder positiv noch negativ – dasselbe gilt für den Wandel per se. Es ist die Richtung, in die wir den Wandel vorantreiben, die den Unterschied ausmacht. Die Frage ist nicht, ob die Digitalisierung die Welt verändern wird, sondern, ob wir Zuschauer oder Gestalter dieses Wandels sein wollen. Dabei spielen Bildung und Kooperation eine wichtige Rolle. Als Teil der akademischen Welt müssen wir unsere Studierenden darauf vorbereiten, Akteure des Wandels zu sein, und ihnen die notwendigen Werkzeuge geben, um erfolgreich zu sein.

 

 

Im Mittelpunkt der Diskussion über die Digitalisierung des Agro-Food-Sektors stehen üblicherweise Themen wie die Einführung neuer Technologien und die Integration der generierten Daten. Vergessen geht jedoch, dass unser Vermögen, diese Informationen zu integrieren und ihren Wert zu steigern, nicht nur von der technischen Kompatibilität der verschiedenen Datenquellen abhängt, sondern auch von unserem Willen, zusammen zu arbeiten. Technologie alleine wird es nicht richten. Vielmehr müssen wir die Bedürfnisse der Landwirte, der Lebensmittelfirmen und natürlich auch jene der Konsumenten genau verstehen. Die Digitalisierung birgt ein enormes Potenzial, doch es gibt auch viel zu beweisen. Es gilt zu zeigen, inwiefern technische Errungenschaften nicht nur Prozesse und Logistik, sondern auch die Lebensqualität aller Akteure verbessern. Kurz: Wir müssen Vertrauen aufbauen und Verlässlichkeit beweisen.

 

 

Dieses kooperative Denken stand im Zentrum des Workshops «Herausforderungen der Digitalisierung im Agro-Food-Sektor», den das ETH Studio AgroFood zusammen mit Swiss Food Research kürzlich organisierte. Die Veranstaltung bot Gelegenheit, sich mit Vorstellungen verschiedener Organisationen auseinanderzusetzen und den Grundstein für zukünftige gemeinsame Projekte zu legen. Wie erwartet stand Datensicherheit ganz oben auf der Liste der Schwerpunktthemen für die Schweiz, gefolgt von Nachverfolgbarkeit, Datenanalyse und digitalen Kenntnissen im Allgemeinen. Insgesamt herrschte bei jedem der Themen ein Gefühl von Dringlichkeit, da sich die Technologien mit rasantem Tempo entwickeln.

 

 

Wenn es aus dem Absturz des Computersystems am Flughafen Heathrow oder aus den zahlreichen Hackerangriffen eine Lehre zu ziehen gibt, dann die, dass es neben den Vorteilen der Digitalisierung auch Risiken gibt, die erkannt und bewältigt werden müssen. Wir müssen uns mehr denn auch mit der digitalen Verwundbarkeit und Abhängigkeit auseinandersetzen und die Widerstandsfähigkeit der gesamten Wertschöpfungskette diskutieren. Bei diesen und bei weiteren Themen gibt es noch viel zu tun.

Nachdem ich einige der Schweizer Initiativen zum Thema Digitalisierung gesehen und Rückmeldungen aus unserem Workshop erhalten habe, bin ich überzeugt, dass nicht nur hinsichtlich Innovation und Technologie grosses Potenzial besteht, sondern dass es auch genügend Motivation und Know-how gibt, den Agro-Food-Bereich in kooperativer und verantwortungsvoller Weise voranzubringen.

 

 

Die Digitalisierung eröffnet uns die Chance, den komplexen Herausforderungen des Ernährungssystems als Ganzes gerecht zu werden. Nun sind wir aufgefordert, die Angst vor Veränderungen zu überwinden, indem wir bei der Neugestaltung eine aktive Rolle übernehmen.

 

Quelle: ETH Zürich

09.08.2017 | 11100 Aufrufe

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