Hat Papiergeld bald ausgedient - Die Bank of England und die Nullzinsgrenze

Wenn die Zinsen bei null oder gar darunter liegen, wird Geldpolitik schwierig. Laut dem Chefökonomen der Bank of England könnte ein Übergang von Papier- zu Digitalgeld das Problem lösen.

Andrew Haldane ist nicht nur ein origineller Denker, als Chefökonom der britischen Zentralbank hat sein Wort auch Gewicht. In seiner jüngsten Rede spekulierte er über die Abschaffung des Bargelds, an dessen Stelle könne eine von der Zentralbank gestützte digitale Währung treten. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die sogenannte Nullzinsgrenze, die besagt, dass die Geldpolitik an ihre Grenzen stösst, wenn die Nominalzinsen gegen null laufen. Den Zentralbanken geht dann die Munition aus, um die Wirtschaft zu stimulieren. Negative Zinsen, ein Strafzoll für das Halten von Geld, sind in dieser Lesart nicht durchzusetzen, weil die Leute auf Bargeld ausweichen. Wenn jedoch zinsloses Bargeld abgeschafft würde, könnte dieses Problem laut Haldane überwunden werden.

Andrew Haldane spekuliert über die Abschaffung des Bargelds. (Bild: Niccolò Caranti / Wikimedia Commons)

Ungemütliche Nullzinsgrenze

Der Chefökonom der Bank of England ist nicht der Erste, der dies vorschlägt. Willem Buiter von der Citigroup und Kenneth Rogoff von der Universität Harvard sind bis jetzt die bekanntesten Vertreter der Idee einer Abschaffung von Bargeld. Dadurch erhofft man sich auch die Eindämmung der Schattenwirtschaft. Zentralbanken in Schweden, Dänemark und in der Schweiz haben aber bereits Negativzinsen eingeführt, auch die Europäische Zentralbank verlangt auf Einlagen von Geschäftsbanken eine Zinszahlung. Wenn die Negativzinsen in diesen Ländern noch weiter ins negative Territorium sänken, träte das Problem mit voller Wucht auf. Die Schweizer Nationalbank treibt bereits Überlegungen dazu voran
 

Haldane skizziert für die Zentralbanken drei Möglichkeiten an der Nullzinsgrenze: erstens eine Anpassung des «Inflationsziels», zweitens die permanente Nutzung der sogenannten quantitativen Lockerung («Quantitative Easing», QE) und drittens die Einführung von Negativzinsen in Verbindung mit der Abschaffung des Bargelds. Derzeit verfolgt die Bank of England die Politik, die Inflation bei, aber unter 2% zu halten. Um den Spielraum zu vergrössern, könnte man sich eine Erhöhung des «Inflationsziels» auf 4% vorstellen. Diese Anpassung ist aber laut Haldane mit einem Reputationsrisiko für die Zentralbank verbunden, zumal in Grossbritannien die Bevölkerung tendenziell eine niedrigere Inflationsrate bevorzugt.

 

 

Gegen die quantitative Lockerung, den Kauf von Vermögenswerten durch die Zentralbank, führt Haldane ins Feld, dass der Einsatz des Instruments sehr von den Umständen abhänge. Zudem sind die Ergebnisse von QE umstritten. Mit der Aufblähung der Bilanz der Zentralbank wird ausserdem die Grenze zwischen geldpolitischen und fiskalischen Massnahmen verwischt. Es bleiben demnach Negativzinsen übrig. Diese liessen sich durch eine fortlaufende Entwertung des Papiergelds, die Abschaffung von Bargeld oder durch einen Wechselkurs zwischen Bargeld und Buchgeld bewerkstelligen, um der Flucht ins Bargeld einen Riegel vorzuschieben. Vor kurzem stellte aber die Bank of England in einer Studie fest, dass die Nachfrage nach Bargeld in den vergangenen Jahren sogar gestiegen sei.

Haldane schwebt deshalb eine staatliche digitale Währung vor, die als Recheneinheit und Tauschmittel verwendet wird und keinen (positiven) Zins erbringt. Aufgrund der digitalen Natur der Währung können aber leicht – per Knopfdruck – negative Zinsen eingeführt werden. Die Zeit sei möglicherweise reif für einen grossen technologischen Sprung nach vorne. Dafür könnte die Technologie hinter der Krypto-Währung Bitcoin verwendet werden.

Technokratischer Traum

Haldanes Ausführungen blieben nicht ohne Widerspruch. Zunächst wird derzeit über eine Wende hin zu höheren Leitzinsen gesprochen. Der Brite geht aber von einer möglichen Krise in den aufstrebenden Ländern aus, was auch das Wachstum in Grossbritannien belasten würde. Andere Kritiker werfen Haldane vor, ein «konventionelleres» Instrument, das sogenannte Helikopter-Geld, zu vernachlässigen. Dabei verteilt die Notenbank Geld an die Bevölkerung oder die Regierung, um die Wirtschaft anzustossen. Es bleiben auch praktische Probleme mit digitalen Währungen wie die Fragen um Sicherheit und Anonymität sowie um Verhaltensänderungen. Diskutiert wird aber auch darüber, was mit den Geschäftsbanken und der Geldschöpfung passiert, wenn digitales Zentralbankgeld einem breiten Publikum zur Verfügung steht. Die Debatte um den technokratischen Traum zeigt aber auch, dass die Geldpolitik zur Steuerung der Konjunktur an ihre Grenzen stösst und Probleme lösen will, die sie zum Teil selbst geschaffen hat.

Quelle

http://www.nzz.ch/finanzen/devisen-und-rohstoffe/devisen/hat-papiergeld-bald-ausgedient-1.18618636#kommentare

Starke Gründe für Bargeld

Bargeld ist geprägte Freiheit, heisst es. Doch Münzen und Geldscheine haben neben Zahlungs- und Recheneinheits-Funktion viele weitere Vorteile. Es gibt 6 wichtige Gründe, die für Bargeld sprechen.

Bargeld bietet Schutz gegen zahlreiche Unwägbarkeiten des Lebens. (Bild: Bargeld)

Diskussionen über die Abschaffung oder Einschränkung von Bargeld unter Wissenschaftern und zentralbanknahen Kreisen haben in den vergangenen Wochen auch die Gemüter der breiten Öffentlichkeit erregt. Zwar dürfte fast nirgendwo unmittelbar ein Verbot von Bargeld vor der Tür stehen, doch die Benutzung wird oft still und leise nach und nach eingeschränkt. So dürfen in verschiedenen Ländern der Euro-Zone Zahlungen über 500 € oder 1000 € nicht mehr in bar erfolgen, obwohl Münzen und Noten das einzige gesetzliche Zahlungsmittel sind. Und in Dänemark plant die Regierung ein Gesetz, wonach Restaurants, Tankstellen und kleine Läden nicht mehr verpflichtet sind, Bargeld anzunehmen.

Rund 96 Prozent Ablehnung

Bei einer nicht repräsentativen Umfrage auf www.nzz.ch lehnten überwältigende 96% der Teilnehmer eine Abschaffung von Bargeld ab. Was spricht auch heutzutage über die Praktikabilität hinaus noch für die Benutzung von Münzen und Geldscheinen?

Schutz der finanziellen Privatsphäre: In vielen Ländern ist das Bankgeheimnis abgeschafft worden, damit den Steuerbehörden ja kein Dollar oder Euro entgeht. Der Bürger ist dazu verdammt, sich dem Staat völlig zu offenbaren. Selbst in der Schweiz, früher das Bollwerk des Bankkundengeheimnisses, entwickeln sich manche Banken sogar im Umgang mit Inländern zu Aussenstellen der Steuerbehörden. Eine Abschaffung des Bargeldes würde dem Staat und seinen Behörden endgültig die lückenlose Überwachung aller Finanztransaktionen ermöglichen. Zudem gibt es nicht nur die Privatsphäre gegenüber dem Staat, sondern auch jene in der Familie. Nicht jeder Ehepartner möchte vermutlich, dass die bessere Hälfte alle möglichen Ausgaben auf der Kreditkartenrechnung sehen kann. Ferner sind im Zeitalter von NSA-Affären und Hacker-Angriffen Fragen der Datensicherheit allgemein nicht zu vergessen.

Schutz vor Exzessen der Geldpolitik: Zentralbanken haben inzwischen in vielen Währungsräumen negative Zinsen eingeführt, beispielsweise im Euro-Raum, in der Schweiz, in Dänemark und in Schweden. Diese negativen Zinsen sind bei den Privathaushalten in der Regel bisher kaum angekommen. Sollten Geschäftsbanken die Negativzinsen der Notenbanken jedoch im grossen Stil an sie weitergeben, könnten sie sich dieser Enteignung entziehen, indem sie das Geld von der Bank holen und zu Hause oder an einem sicheren Ort aufbewahren. Sie entgehen damit der Steuer auf das Spargeld. Ist Bargeld abgeschafft, steht den Menschen dieser Fluchtweg nicht mehr offen. Die Deutsche Bundesbank lehnt Restriktionen der Bargeldhaltung entsprechend strikt ab.

Schutz vor Risiken der Geschäftsbanken: Münzen und Geldscheine werden vom Staat bzw. von der Zentralbank geschaffen. Diese sind heutzutage aber nur noch eine Minderheit der Geldmenge. Der überwältigende Teil des Geldes wird durch Geschäftsbanken kreiert, indem sie Kredite gegen Sicherheiten vergeben. Zahlt ein Bürger Geld auf ein Konto einer Geschäftsbank ein, hat er gegenüber dieser eine Forderung in derselben Höhe. Insofern unterliegt das Geld einem gewissen Risiko, denn die Bank könnte in Konkurs gehen, wie die Vorfälle um die britische Bank Northern Rock oder in Island und Zypern gezeigt haben. In den meisten Ländern sind Einlagen nur bis zu einer gewissen Höhe, zum Beispiel 100 000 €, gesichert. Bargeld ist insofern sicherer als das auf ein Konto bei einer Geschäftsbank eingezahlte Geld. Durch ein Verbot von Bargeld entstünde ferner eine totale Abhängigkeit von Geschäftsbanken.

Schutz von Minderheiten: Viele Menschen besitzen auch heutzutage kein Bankkonto. Betroffen sind oft Minderheiten wie Personen mit mangelnder Kreditwürdigkeit und ohne festen Wohnsitz oder auch Asylbewerber. Bei einer Bargeld-Abschaffung müsste daher zugleich das Grundrecht auf ein Konto eingeführt werden, da diese Gruppen sonst vom Zahlungsverkehr ausgeschlossen würden. Zudem nutzen vor allem Ältere und Ärmere Bargeld, die dann von einem Verbot besonders betroffen wären.

Schutz vor übermässigem Konsum: Bargeld hilft Menschen, ihre eigenen Konsumwünsche unter Kontrolle zu halten. Viele Menschen, vornehmlich Ältere, heben immer noch zum Monatsanfang eine gewisse Summe vom Konto ab und zahlen jeweils in bar. Das hilft, einen Überblick über die Ausgaben zu behalten. Dieser geht verloren, wenn jegliche Zahlungen elektronisch erfolgen. Bereits heutzutage haben viele Menschen Mühe, ihre Ausgaben zu kontrollieren, oder sind gar überschuldet. Die Abschaffung vom Bargeld würde diese Probleme verschärfen.

Schutz vor Betrug: Barzahlung erscheint immer noch sicherer als elektronische Zahlungen, denn diese sind durch Skimming, Phishing und Kreditkartenbetrug gefährdet. Laut der Deutschen Bundesbank betrug der Schaden durch Falschgeld in Deutschland letztes Jahr 3,3 Mio. €. Doch dies sei nur ein Bruchteil der Schäden gewesen, die durch Kartenbetrug entstanden sind.

Bargeld ist geprägte Freiheit

Dazu kommen noch zahlreiche weitere Gründe, die für Bargeld sprechen. So können Kinder mit Taschengeld beispielsweise spielerisch den Umgang mit Geld erlernen, was beim Einsatz von elektronischem Geld sehr viel weniger anschaulich wäre.

Zudem kommen die Gewinne aus der Herstellung von Münzen und Geldscheinen durch den Staat bzw. die Notenbank in vielen Ländern der Allgemeinheit zugute, etwa durch Ausschüttungen an den Staat. «Bargeld ist geprägte Freiheit», heisst ein Bonmot. Das stimmt, doch es ist noch viel mehr, nämlich ein Schutz gegen zahlreiche Unwägbarkeiten des Lebens.

Quelle

http://www.nzz.ch/finanzen/private-finanzen/sechs-gute-gruende-fuer-bargeld-1.18559816

 

Der Kampf gegen das Bargeld hat begonnen

Die primär angelsächsische Diskussion über ein Verbot von Bargeld erreicht den deutschsprachigen Raum. Auch in der einst liberalen Schweiz werden früher undenkbare Massnahmen erwogen.

Münzen und Scheinen sollen verboten werden. (Bild: Martin Ruetschi / Keystone)

Regierungen, Notenbanken und linke Ökonomen leiten die nächste Stufe der finanziellen Repression ein: den Kampf gegen das Bargeld. Die Idee eines Verbots von Bargeld wird beispielsweise durch die beiden an der Harvard University lehrenden Ökonomen Kenneth Rogoff und Larry Summers unterstützt, im deutschsprachigen Raum reihte sich jüngst Peter Bofinger ein, der sogar im deutschen Sachverständigenrat sitzt. Die Forderung gewinnt an Popularität, weil Zentralbanken mit ihren negativen Zinsen gegenwärtig an Grenzen stossen. Sollten die Negativzinsen noch stärker ausgeweitet werden, könnte dies dazu führen, dass Sparer ihr Geld von der Bank holen und horten. Schlimmstenfalls könnte dies sogar zu einem Bank-Run führen. Mit einem Verbot von Bargeld würden Regierungen dieses Ausweichen der Bürger verhindern.

Giftschrank der Geldpolitik

Immer mehr Länder schränken inzwischen die Benutzung von Bargeld ein, obwohl es als gesetzliches Zahlungsmittel dient. Zugleich werden elektronische Transaktionen begünstigt oder die Bürger gar dazu verpflichtet. In Dänemark hat die Regierung jüngst einen Gesetzentwurf vorgelegt, laut dem Restaurants, Tankstellen und kleine Läden nicht mehr verpflichtet sind, Bargeld anzunehmen. Und die dänische Zentralbank hatte bereits zuvor angekündigt, im Jahr 2016 die staatliche Herstellung von Banknoten und Münzen einzustellen und diese an Private zu vergeben. Darüber hinaus will Frankreich ab dem Herbst Barzahlungen von mehr als 1000 € verbieten. Eine solche Restriktion herrscht bereits seit einigen Jahren in Italien. Und sogar in der Schweiz, ehemals ein liberaler Hort in Europa, sollen Barzahlungen ab einer gewissen Höhe zur Verhinderung von Geldwäscherei verboten werden. Hier liegt die Grenze immerhin bei 100 000 Fr. Eine entsprechende Vorlage hatte der Ständerat angenommen, der Nationalrat allerdings danach abgelehnt.

In der Eidgenossenschaft kursieren aber noch weitere Überlegungen, mit welchen Mitteln aus dem Giftschrank der Geldpolitik die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Bürger plagen könnte. Auch hierzulande wird unter Akademikern die Einführung eines Wechselkurses zwischen Bargeld und Buchgeld, die periodische Belastung von Bargeld mit einer Steuer in Höhe der Negativzinsen und sogar das Verbot von Bargeld diskutiert. Doch dürften hier die Stimmbürger an der Urne derlei Exzesse verhindern.

Die Durchsetzung von noch stärkeren Negativzinsen im Rahmen des planwirtschaftlich anmutenden Versuchs der Steuerung von Konjunktur und Kapitalverkehr durch zahlreiche Zentralbanken ist wohl der wichtigste Grund für die derzeitige Diskussion. Als Argumente gebracht werden immer wieder auch der Kampf gegen Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit und andere kriminelle Machenschaften. Es dürfte nicht mehr lange dauern, bis auch der Kampf gegen den Terror als Argument vorgeschoben wird, denn auch Terroristen zahlen ja mit Bargeld.

Die Beseitigung der Zinsuntergrenze durch die Abschaffung von «Cash» mag aus der technokratischen Sichtweise einer Zentralbank Vorteile bei der Umsetzung der Geldpolitik haben. Für den Bürger bedeutet dies jedoch eine Besteuerung der Spareinlagen, der er nicht mehr ausweichen kann. Sparen wird also noch stärker bestraft als ohnehin schon. Dabei gehört doch die Vernunft, heute zulasten der gegenwärtigen Bedürfnisse für die Wünsche von morgen zu sparen, zu den bedeutenden Errungenschaften der Menschheit. Sollte das System erst einmal greifen, müssten Bürger wohl in der Zukunft immer wieder mit periodischen Zwangsenteignungen rechnen, für die man jeweils schon «gute Gründe» finden würde.

Geprägte Freiheit

Darüber hinaus würde die Abschaffung von Bargeld endgültig den gläsernen Konsumenten und eine totale finanzielle Überwachung durch den Staat schaffen. Dazu kämen natürlich noch generelle Fragen der Datensicherheit. Nicht umsonst gibt es das treffende Bonmot: Bargeld ist geprägte Freiheit.

Neben Bargeld müsste auch der Besitz von Gold verboten werden, da das aus liberaler Sicht gute Geld, nämlich Gold, sonst schnell das schlechte Staatsgeld verdrängen dürfte. Doch auch bei einem Goldverbot könnten sich andere Tauschmittel herauskristallisieren, etwa Zigaretten, Schmuck, Gutscheine, oder es fände ein Ausweichen auf andere Währungen statt. Entsprechend sagte Bofinger im Gespräch mit der Zeitschrift «Der Spiegel», Bargeld müsse am besten zeitgleich im Euro-Raum, in den USA, Grossbritannien und der Schweiz verboten werden. Der Kampf gegen das Bargeld hat begonnen.

Quelle

http://www.nzz.ch/finanzen/devisen-und-rohstoffe/devisen/der-kampf-gegen-das-bargeld-hat-begonnen-1.18546938

 

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24.09.2015 | 17203 Aufrufe

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