In den deutschen Förderregionen geht das Erdgas zur Neige. Zudem drosseln die Niederlande ab 2020 massiv ihre Lieferungen. Ein Milliarden-Umbauprojekt soll nun die Gasversorgung sichern. In den beiden wichtigsten deutschen Förderregionen Elbe-Weser und Weser-Ems hat sich die Förderung von 2006 bis 2013 fast halbiert und wird nach den Prognosen des Öl- und Gasproduzentenverbandes WEG weiter stark fallen.

Gleichzeitig haben die Niederlande als wichtigster Lieferant angekündigt, ihr Angebot unter anderem wegen der Erdbebenprobleme rund um das Erdgasfeld Groningen von 2020 an drastisch zurückzufahren. Bis 2030 muss damit insgesamt rund ein Drittel der Gaslieferungen in Deutschland ersetzt werden.

Die Gaswirtschaft startet deshalb ein Riesenprojekt mit Milliardenkosten: Sie muss die Netze umbauen, um zusätzliche Lieferströme aus Russland, Norwegen oder anderen Quellen aufzunehmen und geschätzte fünf Millionen Endgeräte an eine veränderte Gasqualität anpassen.

Das bezahlen die Verbraucher über Umlagen mit – auch wenn die Umrüstung der heimischen Gasbrenner zunächst mal kostenlos ist. In diesem Jahr hat die niedersächsische Kleinstadt Schneverdingen als erste Kommune mit der Anpassung begonnen.

Umbau der Gasthermen ist Mammutaufgabe

Rund 6000 Haushalte müssen in dem Ort in der Lüneburger Heide umgestellt werden. Die Gasgeräte bekommen je nach Modell andere Düsen und die Luftzufuhr wird anders eingestellt. Das deutsche und niederländische Gas, das sie bisher befeuert, hat nämlich einen niedrigeren Energieinhalt (Brennwert).

Fachleute sprechen von L-Gas (für low, niedrig). Künftig stellen die Stadtwerke Schneverdingen auf H-Gas (high, hoch) mit höheren Brennwert um, wie es Russland, Norwegen und Großbritannien anbieten. Dasselbe passiert schrittweise in den kommenden 15 Jahren überall im Norden und Westen Deutschlands, wo bisher weitgehend das einheimische und niederländische L-Gas verwendet wird.

Der Umbau der Gasthermen, Herde oder Durchlauferhitzer von L- auf H-Gas ist eine Mammutaufgabe: Mit rund 450 000 Anpassungen pro Jahr rechnet der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW), Prof. Gerald Linke. Derzeit werden dafür weitere Fachunternehmen zertifiziert und Monteure geschult. Die Kosten schätzen Fachleute auf im Schnitt 250 Euro je Gerät – in der Summe also im Milliardenbereich.

Die Arbeiten beginnen absichtlich in dem überschaubaren Gebiet an der Lüneburger Heide, um Erfahrungen zu sammeln. Dann folgen in den Jahren bis 2030 unter anderem Niedersachsen bis Wolfsburg, der Norden mit Bremen und Cuxhaven, große Teile Nordrhein-Westfalens und der Frankfurter Raum.

Außerdem müssen Pipelines gebaut werden, um das zusätzliche Gas aus dem Ausland heranzuführen. Im aktuellen Entwurf des Netzentwicklungsplanes Gas sind fast 300 Kilometer Leitungsneubau und zahlreiche Neubauten oder Erweiterungen von Verdichterstationen für die Gasumstellung enthalten. Kostenpunkt: 1,7 Milliarden Euro.

"Mit der Umstellung von L- auf H-Gas packen wir das wohl größte Infrastrukturprojekt im Bereich der Gasversorgung an", sagt der Vizepräsident der Bundesnetzagentur, Peter Franke. Die Behörde werde aber dafür sorgen, dass die Kosten für die Haushalte in einem vertretbaren Rahmen bleiben, verspricht Franke. Die beiden ersten Umlagen in der Startphase für 2015 lägen für einen Durchschnittshaushalt nur bei maximal einem Euro. H-Gas sei zwar teurer als L-Gas, das werde aber durch den geringeren Verbrauch ausgeglichen.

Ein Euro pro Haushalt gilt nach Einschätzung von Fachleuten aber nur für die Startphase. Wenn der Ausbau Fahrt aufnimmt, werden voraussichtlich auch die Kosten für die Verbraucher steigen. Sie sollen innerhalb der beiden deutschen Marktgebiete NetConnect Germany (NCG) – West- und Süddeutschland – sowie Gaspool im Norden und Osten umgelegt werden. Damit müssen bayerische Verbraucher für die Geräteanpassungen in Nordrhein-Westfalen mitzahlen. "Das gibt Ärger", sagt ein Insider.

18.05.2015 | 837 Aufrufe

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