Stabile Stromnetze stehen für Versorgungssicherheit. Da fragt es sich, wie diese trotz Atomausstieg, massivem Zubau erneuerbarer Energien und ändernde wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen auf dem heutigen hohen Niveau halten ist. Dabei ist der Wandel in der Stromwirtschaft schon in vollem Gang. Um ihn zu meistern, müssen nicht zuletzt die Übertragungsnetze angepasst werden.

 

Strom ist das Lebenselixier unserer modernen Gesellschaft. Doch die Quellen und Techniken, die uns mit Strom versorgen, sind europaweit im Umbruch: Erneuerbare Energiequellen – insbesondere Wind- und Photovoltaikanlagen – verändern das Preisgefüge und stellen Jahrzehnte alte Produktionsmuster grundsätzlich in Frage. Davon betroffen sind auch unsere Stromnetze, die wir entsprechend umrüsten müssen, wie Dr. Christian Schaffner von der ETH Zürich in seinem hier vorliegenden Bericht schreibt. Zum einen gilt es, die Übertragungsnetze an die sich ändernden Stromflüsse anzupassen. Zum anderen sollten wir die Verteilnetze um- und ausbauen, damit sie den dezentral produzierten Strom aus erneuerbaren Energiequellen aufnehmen können.

 Vor diesem Hintergrund organisierte das Energy Science Center der ETH Zürich (ESC) zusammen mit der Renewables Grid Initiative (RGI) die Veranstaltung «Das Stromnetz der Zukunft».

Doch warum organisieren wir einen derartigen Anlass? Weil die Planung des Schweizer Stromnetzes – wie auch die Energiepolitik – an einem Wendepunkt steht. Die nationale Netzgesellschaft Swissgrid entstand 2006 im Vorfeld der Strommarktliberalisierung. Seit 2009 betreibt sie das gesamte Schweizer Hochspannungsnetz. Effektive Eigentümerin der Netzelemente – also aller Masten, Leitungen, Transformatoren und Unterstationen – wurde sie aber erst im Jahre 2013. Swissgrid ist demnach eine relativ junge Organisation, der von Gesetzes wegen hoheitliche Aufgaben zukommen. Die wichtigste ist, die Schweiz sicher mit Strom zu versorgen (Versorgungssicherheit). Dazu unterhält die Gesellschaft die Übertragungsnetze, erneuert sie und plant deren langfristigen Ausbau.

Ende April dieses Jahres hat Swissgrid nun den Plan für die weitere Entwicklung ihres Netzes bis 2025 vorgestellt. Anhand von Modellen analysierte sie dafür erstmals das gesamte Netz einheitlich nach technischen und wirtschaftlichen Kriterien. Ob nun ein Element (zum Beispiel eine Übertragungsleitung) verstärkt oder neu gebaut werden soll, hängt davon ab, ob der volkswirtschaftliche Nutzen insgesamt positiv ist. Das ist der Fall, wenn die summierten finanziellen Vorteile für alle Akteure, Produzenten sowie Konsumenten die geschätzten Kosten überwiegen. Dabei gilt es, die unterschiedlichsten Interessen gegeneinander abzuwägen.

Es gibt vier wesentliche Gründe, das Schweizer Stromnetz zu erneuern:

  1. Die in der Schweiz geplanten Grosskraftwerke, insbesondere im Bereich Wasserkraft, erfordern zusätzliche Netzelemente (Übertragungskapazität), da der dort produzierte Strom abtransportiert werden muss.
  2. Der internationale Stromhandel, bei dem die Schweiz eine wichtige Rolle spielt, hat in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Der Grund dafür liegt primär in den zunehmenden Preisdifferenzen innerhalb von Europa. Die entstehenden zusätzlichen Stromflüsse bedingen neue Leitungen, vor allem in der Nord-Süd-Achse.
  3. Produktionsanlagen für erneuerbare Energien nehmen in der Schweiz voraussichtlich stark zu (insbesondere die Sonnenkraft). Das wirkt sich auf die Netzplanung aus, allerdings zeitlich verschoben. In einer ersten Phase werden die neuen erneuerbaren Energien das Übertragungsnetz eher entlasten. Erst bei einem stärkeren Ausbau, je nach Szenario ist dies ab 2035 der Fall, müssten die Netze zusätzlich verstärkt werden, um den Überschuss aus diesen Produktionsanlagen auch über das Höchstspannungsnetz abzutransportieren.
  4. Auch die steigende Nachfrage nach Strom beeinflusst die Netzplanung, allerdings eher moderat – zumindest nach den heutigen Entwicklungsszenarien.

Mit der Veröffentlichung dieses Berichtes verfolgt Swissgrid mehrere Ziele: Zum einen muss sie dem Schweizer Strom-Regulator, der Elektrizitätskommission ElCom, einen Mehrjahresplan für den Netzausbau vorlegen. Zum anderen erhofft sie sich eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung. Das ist wichtig, um die teilweise extrem langwierigen Bewilligungsverfahren zu verkürzen.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist die zusätzliche Transparenz zu begrüssen. An der ETH Zürich beschäftigen sich zahlreiche Forschungsgruppen mit verschiedensten Aspekten der Übertragungsnetze: Dabei geht es um die Netzplanung und -optimierung, den effizienten Betrieb mit höherem Anteil erneuerbarer Energien, aber auch um neue Netztechnologien wie die Hochspannungs-Gleichstromübertragung. Da wir als Forscher sehr oft mit Simulationsmodellen arbeiten, sind wir auf die Netzbetreiber angewiesen. Sie können unsere Annahmen verifizieren und Resultate validieren helfen.

Zentral für unsere Forschung sind immer auch Daten aus dem Netzbetrieb, beispielsweise zu den detaillierten Stromflüssen im Netz. Nur so können wir unsere Modelle realistisch gestalten und Resultate produzieren, die den Netzbetreibern zugutekommen. Ziel muss es daher sein, noch mehr Daten verfügbar zu machen. Auch möchten wir die Transparenz bei den verwendeten Modellen erhöhen. Das Energy Science Center der ETH Zürich will hier einen Beitrag leisten. Derzeit ist ein interdisziplinäres Team dabei, die notwendigen Grundlagen zu schaffen.

Die Aufgabenliste für die nächsten Jahrzehnte ist lang: Höchstes Gut ist die Versorgungssicherheit, die wir in einem sich massiv verändernden Umfeld gewährleisten müssen. Dann brauchen wir neue Marktmodelle, die einerseits den Bedürfnissen der Produzenten – zentrale wie auch dezentrale – gerecht werden, andererseits ein effizientes Netz mit einem moderaten Ausbau ermöglichen. Zudem gilt es in Zukunft, das Zusammenspiel zwischen dem Übertragungsnetzbetreiber Swissgrid und den über 600 Verteilnetzbetreibern in der Schweiz neu zu überdenken.

Quelle

https://www.ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2015/06/wie-planen-wir-das-stromnetz-der-zukunft.html

 

 

 

17.09.2015 | 9774 Aufrufe

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