Bei den Barmherzigen Brüdern operieren die Ärzte auch bei Nierenkrebs mit „da Vinci“ – häufig bei voll durchblutetem Organ.      

Mit einem leisen Surren verändern die steril in Plastikfolie verpackten Roboterarme von „da Vinci“ ihre Position. Der linke Arm hält eine Pinzette, der rechte eine winzige Schere. Am mittleren Arm ist eine hochauflösende 3D-Kamera angebracht. Gesteuert werden die Instrumente, die über kleine Schnitte in den Bauchraum der Patientin eingeführt wurden, von Dr. Wolfgang Leicht, der etwa einen Meter neben dem OP-Tisch an einer Konsole sitzt. Der Chefarzt der Klinik für Urologie am Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg operiert an diesem Vormittag eine ältere Dame mit einem großen Tumor am oberen Nierenpol.

Chefarzt Dr. Wolfgang Leicht steuert die steril verpackten Roboterarme von „da Vinci“ über eine Konsole (hinten), am OP-Tisch assistiert ihm Dr. Matthias Schweizerhof. Foto: Knobloch

Seit genau einem Jahr verfügt das Krankenhaus über ein „da Vinci“-System. Am Caritaskrankenhaus St. Josef ist ein solcher OP-Roboter bereits seit August 2013 im Einsatz. „Mit zwei „da Vinci“-Systemen ist Regensburg sehr gut versorgt“, sagt Leicht. Er und der Leitende Oberarzt Jürgen Popp haben bereits in Mainz und Essen über mehrere Jahre Operationserfahrung mit dem System gesammelt. Bundesweit gibt es derzeit rund 60 OP-Roboter. Etabliert sind roboterassistierte Operationen etwa bei der Entfernung der Prostata bei Patienten mit Prostatakrebs. Bei den Barmherzigen Brüdern in Regensburg wird „da Vinci“ aber auch bei Eingriffen an der Blase oder der Niere eingesetzt.

„90 Prozent der nierenerhaltenden Tumoroperationen in Deutschland werden aktuell in einem offenen OP-Verfahren durchgeführt“, sagt Leicht. Der dafür erforderliche 15 bis 20 Zentimeter lange Flankenschnitt, bei dem auch die Muskulatur durchtrennt wird, sei für die Patienten sehr belastend, so der Chefarzt. „Sie brauchen länger, bis sie wieder auf den Beinen sind und haben mehr Schmerzen.“

 

 

„Besser als die menschliche Hand“

Eine Alternative zur offenen Operation ist die sogenannte Schlüssellochchirurgie oder Laparoskopie. Dabei werden die Instrumente und eine Kamera ebenfalls über kleine Schnitte in den Bauchraum eingeführt. Allerdings sieht der Operateur das OP-Gebiet auf dem Monitor nur zweidimensional und die Beweglichkeit der Instrumente ist eingeschränkt, betont Leicht. Im Gegensatz dazu biete die 3D-Optik von „da Vinci“ in Kombination mit der bis zu zehnfachen Vergrößerung eine deutliche bessere Sicht auf einzelne Gefäße oder Nerven. Die Bewegungen des Chirurgen würden zitterfrei auf die Roboterarme übertragen, die Beweglichkeit der Instrumente sei „besser als die der menschlichen Hand“, sagt Leicht.

Allerdings hat „da Vinci“ nicht nur Vorteile: Die hohen Anschaffungs- und Unterhaltskosten machen Eingriffe mit dem OP-Roboter zu einer kostspieligen Angelegenheit für die Kliniken. Die Fallpauschalen, die die Krankenkassen zahlen, decken diese Kosten nicht immer ab. „Es ist daher keine Selbstverständlichkeit, dass Kliniken ihren Patienten diese Operationen anbieten“, betont Leicht.

 

Chefarzt Dr. Wolfgang Leicht verfügt über jahrelange Operationserfahrung mit „da Vinci“. Foto: Knobloch

Bei Nierentumoren versuchen die Ärzte heute zumeist, organerhaltend zu operieren. „Dabei bietet der Eingriff mit dem OP-Roboter entscheidende Vorteile“, sagt Leicht. Auch bei der älteren Patientin will er einen Teil der linken Niere retten. Allerdings sind die Aussichten aufgrund der Größe des Tumors schlecht – die Patientin weiß das. Vorsichtig arbeitet sich der Chirurg zum Tumor vor. „Die Niere liegt in der Nähe von vielen sensiblen Organen wie der Milz und der Bauchspeicheldrüse“, erläutert Leicht. Am OP-Tisch assistiert ihm Dr. Matthias Schweizerhof. Über eine weitere Öffnung in der Bauchdecke spült er wenn nötig den Operationsbereich, saugt Blut ab oder klemmt mit weißen Kunststoff-Clips Gefäße ab.

Weniger Risiko für Gewebeschäden

Mit etwa 120 Litern Blut, die pro Tag durch die Niere fließen, handelt es sich um ein „exzellent durchblutetes Organ“, wie Leicht sagt. Das stellt die Operateure vor Herausforderungen. Bei einer offenen Operation müsse die Durchblutung der Niere unterbrochen werden. Ohne Schäden am Gewebe ist das aber nur für 20 bis 30 Minuten möglich. „Mit dem OP-Roboter entfernen wir 60 Prozent der Nierentumoren bei voll durchblutetem Organ“, berichtet Leicht. Ob das funktioniert, hängt von der Lage und Größe des Tumors ab. „Es ist auch möglich. selektiv nur die Gefäße zu unterbinden, die den Tumor versorgen.“

 

 

Nach einer dreistündigen Operation ist klar, dass in diesem Fall die Niere nicht zu retten ist. Das Organ wird mit Hilfe eines Bergebeutels entfernt und zur histologischen Untersuchung geschickt. „Da die rechte Niere gut funktioniert, sollte die Patientin keine größeren Einschränkungen haben“, sagt Leicht. Das OP-Team baut unterdessen den OP-Roboter ab. Am Nachmittag hat „da Vinci“ schon seinen nächsten Einsatz – diesmal bei einem Patienten mit Prostatakrebs.

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Quelle

http://www.mittelbayerische.de/ratgeber/gesundheit-nachrichten/mit-dem-op-roboter-gegen-tumore-22001-art1276951.html

10.09.2015 | 1012 Aufrufe

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