Seit Jahren arbeiten Forscher weltweit an Computern, die nach dem Vorbild biologischer Gehirne aufgebaut sind. Jetzt müssen diese Chips zeigen, was sie wirklich können, berichtet Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe.

Rund 100 Millionen Dollar stecken die Defense Advanced Research Projects Agency (Darpa) und das US-Verteidigungsministerium in das "Synapse-Projekt". Dessen Name ist Programm: "Synapse" ist angelehnt an die Verbindungen zwischen den Nervenzellen, eines der wesentlichen Elemente menschlicher Signalverarbeitung.

Das Ziel: eine neue, mehr wie das menschliche Gehirn arbeitende Generation von Computerchips, die – zumindest im kleinen Maßstab – Daten so verarbeiten wie das Gehirn eines Säugetiers. Solche "neuromorphen" Chips könnten sich als fehlendes Puzzleteil für so manches vielversprechendes, aber unvollendetes Projekt der künstlichen Intelligenz erweisen – etwa autonom fahrende Autos oder Smartphones als kompetente Gesprächspartner.

Neuromorpher Chip spielt Pong

Am HRL-Forschungszentrum – von Hughes Aircraft als Hughes Research Labs gegründet und heute ein Joint Venture von General Motors und Boeing – haben Wissenschaftler einen neuromorphen Chip entwickelt, der ein Videospiel bedienen kann, ohne dafür explizit programmiert zu sein, berichtet Technology Review in seiner April-Ausgabe.

Zumindest in der simulierten Version hat der Chip bereits eindrucksvolle Ergebnisse gezeigt. Er spielte eine virtuelle Partie "Pong", obwohl der HRL-Chip gar nicht für das Spiel programmiert worden war. Er konnte nur den Ball erkennen, seinen Schläger bewegen und auf Feedback reagieren, das erfolgreiche Schläge belohnte oder fehlerhafte bestrafte. In den ersten Spielrunden schlug das System von 120 Neuronen zwar wild um sich. Aber bereits nach fünf Durchgängen hatte es sich zu einem geschickten Spieler entwickelt. "Wir programmieren nicht", sagt Projektleiter Narayan Srinivasa. "Wir sagen nur 'gut gemacht' oder 'nicht so toll', und es findet selbst heraus, was es tun sollte." Fügten die Forscher weitere Bälle, Schläger oder Gegner hinzu, adaptiert sich das Netzwerk schnell an die Veränderungen.

Chip lernt durch Erfahrung

Der HRL-Chip ahmt zwei Phänomene des Gehirns nach: Zum einen sind Neuronen unterschiedlich empfänglich für Signale anderer Neuronen – und zwar abhängig davon, wie häufig deren Signale eintreffen. Zweitens reagieren Neuronen bevorzugt auf jene Nervenzellen, deren Signalaktivität über einen gewissen Zeitraum ihrer eigenen ähnelt. Arbeiten Gruppen von Neuronen also konstruktiv zusammen, verstärkt das ihre Verbindungen untereinander. Seltener genutzte synaptische Signalbahnen schwächen sich dagegen ab. Hirnforscher nennen dieses Phänomen "zeitabhängige Plastizität". Mit anderen Worten: Der Chip lernt durch Erfahrung.

Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig. Mit diesem Ansatz könnten Ingenieure beispielsweise einen Roboter erschaffen, der durch eine Art "Kindheit" stolpert und dabei lernt, sich zurechtzufinden. Ein erster echter Test für die Hardware ist für den Sommer geplant.

Die synaptischen Verbindungen in dem von Narayan Srinivasas und Kollegen entwickelten HRL-Chip bestehen aus 576 künstlichen Neuronen und werden durch Memristoren gebildet. Wie die Neuronen unseres eigenen Gehirns passen sich diese synaptischen Verbindungen an, wenn neue Informationen eintreffen.

In einem handtellergroßen Fluggerät mit schlagenden Flügeln, genannt Snipe, soll sich der HRL-Chip tatsächlich in die Lüfte erheben. Ein menschlicher Pilot wird die Drohne ferngesteuert durch Innenräume fliegen, während der Chip Daten der eingebauten Kamera und anderer Sensoren auswertet. An bestimmten Punkten erhält der Chip das Signal "Pass hier auf". Kehrt der Snipe später zurück, soll er per Leuchtsignal melden, dass er den Raum wiedererkannt hat. Mit klassischer Chiptechnik wäre diese Art der Erkennung zu aufwendig für ein derart kleines Fluggerät.

20.11.2014 | 1073 Aufrufe

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