Mehr Effizienz, flächendeckendere Betreuung – und am Ende gar ein Hilfsmittel gegen die Pflegenot? In den USA startete jetzt das grösste Telemed-Zentrum der Welt seine Anlagen. Von dort werden tausende Spitalpatienten zentral überwacht.
Pflegearbeit heute: Betreuerin im Virtual-Care-Zentrum Chesterfield (PD)
Es wird Nacht, die Pflegerin wirft noch einen Blick auf den Patienten und prüft seine Werte. Am Ende teilt ihm mit, dass sie immer wieder mal vorbeischauen werde – kurz: Es ist ein ganz normaler Ablauf in einem Spital.
Nur etwas erscheint ungewohnt: Spital und Pflegerin sind gut 1'000 Kilometer voneinander entfernt.
Das Krankenhaus befindet sich in Arkansas, die Betreuerin arbeitet in Chesterfield, Missouri. Sie sitzt vor einem Kranz von Screens – es ist ein Bild, das eher an den Devisenhandelsraum einer Grossbank erinnert als an medizinische Pflege.
Eine neue Konzentrations-Stufe
Und eine hochtechnisierte Sache ist es in der Tat: Das «Mercy Virtual Care Center», das diese Woche eröffnet wird, ist das grösste Telemedizin-Zentrum der Welt. Es bietet die bekannten Telemed-Angebote – das Besondere ist aber, dass die Anlage auch als eine Art Riesen-Backup für Spitäler dient.
Zu Beginn werden 2'400 Betten überwacht. 35 Spitäler im Herzen der USA haben sich dem «Virtual Care Center» angeschlossen, errichtet für 54 Millionen Dollar am Stadtrand der Südstaaten-Metropole St. Louis. Was sich hier zeigt, ist eine neue Konzentrations-Stufe im Bereich der Telemedizin. Denn hier wird den angeschlossenen Spitälern aus der Ferne auch spezialisiertes Know-how geboten.
Eine Pflegerin zum Beispiel nur für Schlaganfall-Patienten zuständig – dies allerdings in 28 Krankenhäusern in vier US-Bundesstaaten. Mit allen steht sie in direktem Tele-Kontakt, und im Hintergrund zur Verfügung steht ein Neurologe, der kurzfristig zu Rate gezogen werden kann.
Das Telemed-Zentrum der Welt beschäftigt 300 medizinische Fachpersonen – Ärzte, Pflegepersonal, Therapeuten –, und es wurde errichtet von der Spitalgruppe Mercy. Dahinter steht eine katholisch fundierte Stiftung, zu der 35 Spitäler im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten gehören.
Der Patient im Gespräch…
Irritierend mag sein, dass die Patienten per Kamera überwacht werden: «Big Brother is watching you» – dieser Spruch kommt einem da schon recht nahe. Doch die Mercy-Verantwortlichen liefern dazu eine bemerkenswerte Erkenntnis: Weil die Tele-Pfleger in St. Louis nicht einfach beobachten, sondern mitreden, sei die Akzeptanz da.
Es sei ein Schlüsselmoment gewesen, als man begonnen habe, aus der Ferne via Bildschirm Kontakt aufzunehmen zu den Patienten, sagte der medizinische Leiter der Mercy-Gruppe gegenüber dem Fachorgan «Health Leaders Media». Dasselbe auch beim Personal vor Ort: Die Telemed-Experten, so Christopher Veremakis, seien plötzlich keine fremden Besserwisser aus der grossen Stadt mehr gewesen, «sondern wir kannten die Leute per Vornamen, und wir waren einfach zusätzliche Lieferanten, die – wie sie – die ganze Nacht wach sind, um die Patienten zu betreuen.»
Dies sei der Punkt gewesen, wo das Telemed-Team von Aussenseitern zu einem Teil des Teams wurde und sich die Akzeptanz zu entwickeln begann.
…mit dem Pflegepersonal (Bilder: PD/Vimeo)
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