Der iPhone-Konzern versucht, was anderen nicht gelungen ist: Die breite Etablierung eines mobilen Zahlungssystems.
Seit Apple Pay am 20. Oktober in den USA gestartet ist, können iPhone-Besitzer ihr Sandwich bei Subway oder das Suppenhuhn bei Whole Foods Market ganz einfach bezahlen: Sie müssen ihr Handy nur an ein sogenanntes Drahtlos-Lesegerät halten und ihren Daumen auf den Home-Button des iPhones legen. Ein NFC-Chip im Handy überträgt die Bezahlinfos verschlüsselt. NFC steht für die Funktechnik "Near Field Communication" (Nahfeldkommunikation).
Apple Pay ist einfacher als andere sogenannte digitale Geldbörsen: Bei ihnen muss man erst das Handy entsperren, eine App öffnen, sich beim Händler einloggen, einen Code eingeben oder andere Schritte ausführen, die allesamt länger dauern, als den Magnetstreifen der Kreditkarte durchs Lesegerät zu ziehen.
In den letzten zehn Jahren haben schon einige Unternehmen verkündet, das Portemonnaie sei tot: Technologie-Firmen wie Google, PayPal und das Start-up Square, dazu Mobilfunkanbieter, Kreditkartenfirmen und diverse Händler. Ihr Versprechen: Ihre digitalen Geldbörsen machen das Bezahlen in echten Läden viel leichter. Stattdessen liefen sie in technische Schwierigkeiten hinein und kämpfen mit Widerständen von Händlern, Banken und Mobilfunkanbietern sowie mit der Gleichgültigkeit der Verbraucher.
Apple wirbt damit, dass es Nutzern die Einfachheit bietet, die sie von Kreditkarten gewohnt sind, gepaart mit einem viel besser gesicherten Bezahl-prozess. Der Elektronik-Gigant hat bereits mit den drei Großen Visa, MasterCard sowie American Express Verträge abgeschlossen. Ebenso mit Banken, die 83 Prozent der Kreditkarten-Trans-aktionen in den USA abwickeln.
Die Sicherheitsfunktionen scheinen die Vorbehalte der Banken aufzuwiegen, die sie wegen Apples neuer Rolle als mächtiger Zwischenhändler bei den Transaktionen haben könnten – und wegen des kleinen Anteils der Transaktionsgebühren, die sie an Apple zahlen werden. Über deren Höhe schweigen sich alle Beteiligten aber aus.
Bleibt das Problem der gleichgültigen Nutzer. In den USA sind bisher nur in 220000 Läden NFC-Bezahlterminals verfügbar. Das ist ein Bruchteil der mehr als sechs Millionen Einzelhandelsgeschäfte. Weil selbst die vorhandenen Terminals so selten benutzt werden, wurde bereits gespottet, NFC stünde etwa für "nobody freaking cares" (auf Deutsch etwa: Es interessiert kein Schwein). Wann Apple Pay nach Deutschland kommt, ist noch nicht klar.
Apple-Chef Tim Cook behauptet jedoch, davor keine Angst zu haben. Bei der Vorstellung der Pay-Funktion im September betonte er, bisherige Mobile-Payment-Systeme seien daran gescheitert, dass sie nicht den Nutzen für den User, sondern nur das eigene Geschäftsmodell vor Augen gehabt hätten. Aber auch Apple hofft natürlich auf satte Gewinne: Der Gebühren-Kuchen beläuft sich derzeit jedes Jahr auf etwa 40 Milliarden Dollar. Die Summe kommt durch die für europäische Verhältnisse saftige Gebühr von zwei Prozent zusammen, die Händler für jede Kreditkartenzahlung entrichten müssen.
Das ist einer der Gründe, weshalb sich jetzt große Handelsketten wie Walmart und Best Buy, Drogerieketten wie CVS und Rite Aid sowie Banken weigern, Apple Pay zu akzeptieren: Sie wollen die Kreditkarten komplett aus der Rechnung entfernen und als Teil des Konsortiums "Merchant Customer Exchange" ihre eigene Digital-Bezahl-App "CurrentC" pushen. Darüber hinaus wollen sie Apple keine Nutzerkontakte und -daten überlassen.
Auch andere Händler wie Starbucks haben keine Absicht, Apple Pay anzubieten und damit ihren eigenen Bezahl-Apps Konkurrenz zu machen. Laut der Kaffeekette liegt der Erfolg solcher Apps am kombinierten Vorteil von Bezahlen, Prämien und einer Laden-Lokalisierfunktion. Starbucks wickelt inzwischen 15 Prozent der Käufe über die App ab, etwa sechs Millionen Transaktionen pro Woche.
Weitere Konkurrenz für Apple Pay sind die Geldbörsen-Apps von Google, PayPal sowie die mobile Geldbörse Softcard, ein Joint Venture der US-Mobilfunkanbieter T-Mobile, AT&T und Verizon. Es wirbt mit der Unterstützung von mehr als 80 Android-Smartphone-Modellen. Der Dienst lässt sich etwa bei den großen Fastfood-Ketten McDonald's und Subway sowie der Apotheken-Kette Walgreens nutzen.
Zur verwirrenden Konkurrenz gesellen sich Sicherheitsbedenken. Diese geben 38 Prozent der Verbraucher einer Befragung zufolge als Hauptgrund dafür an, dass sie beim mobilen Bezahlen noch zurückhaltend sind. So groß, wie es auf den ersten Blick klingt, ist dieses Hindernis jedoch nicht. Wie die Beratungsfirma Javelin Strategy & Research herausfand, bevorzugen viele dieser Verbraucher praktisch zu benutzende Kreditkarten. Und mehrere Datendiebstähle, die in den vergangenen Monaten etwa bei den Handelsketten Home Depot und Target verübt wurden, haben die Nutzer auch am Schutz von Kredit- und Debitkartendaten zweifeln lassen. Die Unternehmen hatten die Daten unverschlüsselt gespeichert.
Eine neue Entwicklung könnte daher eine größere Verbreitung der Handyzahlung bewirken. Visa und weitere Anbieter wollen in den USA für eine größere Akzeptanz und Nutzung von besser gesicherten Kreditkarten sorgen, die statt nur einem Magnetstreifen auch die – in der restlichen Welt bereits weit verbreiteten – Chip und PIN für die Autorisierung von Zahlungen erlauben. Ab Oktober 2015 sollen Händler, die nicht die dafür nötigen neuen Lesegeräte anbieten, bei Kreditkarten-Betrugsfällen mithaften. Das soll für eine stärkere Verbreitung der neuen Lesegeräte sorgen – und sie werden meist auch eine NFC-Funktion besitzen.
Trotz alledem dürfte die Auswirkung von Apple Pay zunächst klein bleiben. Es lässt sich bisher nur bei den iPhone-Modellen 5 und 6 sowie künftig auch mit der Apple Watch nutzen. Nur sie besitzen ab Werk einen NFC-Chip. Vor allem aber wird der Erfolg von Apple Pay davon abhängen, ob der Konzern genug Nutzer überzeugen kann, feste Bezahlgewohnheiten zu ändern. Denn für die meisten Menschen funktionieren die althergebrachten Methoden ziemlich gut.